Wir fordern die Staaten dazu auf, sich aktiv an den bevorstehenden Verhandlungen zum internationalen Abkommen, das den Schutz der Menschenrechte vor den Aktivitäten transnationaler Konzerne und anderer Unternehmen gewährleistet, zu beteiligen.
Das Statement kann hier unterzeichnet werden.
Wir begrüßen die zwei erfolgreichen Sitzungen (2015 und 2016) der „open-ended intergovernmental Working Group“ (OEIGWG) der Vereinten Nationen zu transnationalen Konzernen und anderen Unternehmen und Menschenrechten. Zweck dieser Arbeitsgruppe ist es, die Art, den Umfang und die Punkte zu erarbeiten, die ein „rechtlich bindendes Instrument zu den menschenrechtlichen Verpflichtungen transnationaler Konzernen und anderer Unternehmen“ umfassen könnte. Ihre nächste Sitzung, die den Start der Verhandlungen zum Inhalt und Umfang dieses neuen Rechtsinstruments markieren soll, hält die OEIGWG vom 23.-27. Oktober 2017 ab.
Auf globaler Ebene gehen Unternehmen Aktivitäten nach, die mitunter gravierende Folgen mit sich bringen, u.a. die Zerstörung oder Schädigung der Umwelt, Landraub, Einsatz von Sklav*innenarbeit, Beeinträchtigung des Zugangs zu medizinischer Versorgung und öffentlichen Gesundheitseinrichtungen, Missachtung von Arbeitnehmer*innenrechten sowie Fälle von Gewaltanwendung gegenüber Menschen und Menschenrechtsaktivist*innen. Unternehmen müssen für diese Menschenrechtsvergehen zur Verantwortung gezogen werden können. Im Moment bestehen regulatorische Lücken, die dies erschweren. Wie die Tatsache, dass Unternehmen auf internationaler Ebene agieren, während die Gesetze, die ihre Aktivitäten regulieren sollen, nationalen Charakter haben. Im Kontext der daraus resultierenden Straffreiheit fällt es Unternehmen umso leichter, nationale wie internationale Institutionen und politische Prozesse zu vereinnahmen. Von Staaten abgeschlossene Handels- und Investitionsabkommen gewähren Unternehmen umfassende Rechte und Privilegien zur Erzielung von Profiten; zugleich existiert allerdings kein entsprechendes internationales Regulativ, das die Einhaltung menschen- und umweltrechtlicher Standards durch Unternehmen überwacht und gewährleistet. Die Einführung der Rechenschaftspflicht für Unternehmen auf nationaler wie internationaler Ebene ist unverzichtbar, damit Staaten endlich ihrer Verpflichtung nachkommen, Menschen- und Umweltrechte vor den schädlichen Aktivitäten transnationaler Konzerne und anderer Unternehmen zu schützen.
Wir sind davon überzeugt, dass die fruchtbare Debatte, die im Rahmen der OEIGWG bislang geführt wurde, die Notwendigkeit eines internationalen, rechtlich bindenden Instruments aufzeigt, das (1) den Schutz betroffener Individuen und Gemeinschaften vor Menschenrechtsvergehen durch transnationale Konzerne verbessert, sowie (2) ihnen Zugang zu effektiven Rechtsmitteln, insbesondere gerichtlichen, ermöglicht. Die Sitzungen führten zum Austausch und Debatten zwischen Vertreter*innen von betroffenen Gemeinschaften, Expert*innen, Jurist*innen, Aktivist*innen und Parlamentarier*innen aus verschiedensten Regionen und Sektoren sowie Regierungsvertreter*innen. Sie trugen darüber hinaus dazu bei, einen Konsens zu identifizieren, der als Grundlage für die weitere Erarbeitung des Abkommens dient und auf den staatlichen, auch extraterritorialen Verpflichtungen zum Schutz der Menschrechte basiert.
Die Mobilisierung von Bewegungen und nationalen wie internationalen zivilgesellschaftlichen Organisationen hat stark zugenommen. Ihr beständiger, konstruktiver Einsatz auf nationaler Ebene sowie ihre Präsenz bei Beratungen der Vereinten Nationen war von zentraler Bedeutung in diesem Prozess und zeigt die Bedeutung des angestrebten Abkommens für den globalen Kampf um soziale Gerechtigkeit und Menschenrechte.
Das neue, rechtsverbindliche Instrument soll ein Schritt sein hin zur Stärkung und zum verbesserten Schutz von Menschenrechten und, auf bisherigen Bemühungen aufbauend, einen ergänzenden Rahmen zu existierenden verbindlichen Menschenrechtsinstrumenten etablieren. Bindende Verpflichtungen und Durchsetzungsmechanismen sind der notwendige und logische nächste Schritt dieses Prozesses, der vor vielen Jahrzehnten begann. Das Abkommen muss die Vorrangstellung der Menschenrechte vor unternehmerischen Rechten und Privilegien festschreiben, die im Rahmen von unausgewogenen und unfairen Handels- und Investitionsabkommen verankert sind. Außerdem muss es für die Einführung eines starken, internationalen Rahmenwerks sorgen, das die Rechenschaftspflicht von Unternehmen garantiert und betroffenen Individuen und Gemeinschaften Zugang zu Gerechtigkeit verschafft – und somit der Straffreiheit von Unternehmen ein Ende setzt. Diese globalen, regulatorischen Herausforderungen erfordern die verstärkte internationale Kooperation zwischen Staaten.
Für eine erfolgreiche dritte Sitzung sollte die OEIGWG folgende Punkte fokussieren: (1) substantielle, kooperative und konstruktive Verhandlungen zwischen Staaten über konkrete und detaillierte Bestandteile des Abkommens hinsichtlich seines Inhalts und Umfangs, (2) einen partizipativen Zugang um die Miteinbeziehung der vielfältigen zivilgesellschaftlichen Perspektiven zu gewährleisten, sowie (3) die Entwicklung eines Fahrplans für den Abschluss der Verhandlungen in der nahen Zukunft.
Wir betonen unsere Bereitschaft, uns weiter mit vollem Einsatz in diesem Prozess einzubringen und fordern alle Staaten dazu auf, sich engagiert an den Verhandlung zu den Inhalten des Abkommens zu beteiligen. Wir rufen die Öffentlichkeit dazu auf, diesen kritischen Prozess aufmerksam zu verfolgen und sich aktiv für dieses Abkommen auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene einzusetzen.
Auf zu einem UN-Treaty
Der UN-Prozess für weltweit verbindliche Regeln zu Wirtschaft und Menschenrechten
Handels- und Investitionsschutzabkommen erleichtern Unternehmen den Zugang zu Märkten und Rohstoffen und schützen ihre Interessen mit einklagbaren Rechten. Für den Schutz der Menschenrechte bei weltweiten Unternehmenstätigkeiten gibt es dagegen nur freiwillige Leitprinzipien. Doch die Weltgemeinschaft braucht ein UN-Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten!
Deshalb fordern zahlreiche Staaten, überwiegend Entwicklungsländer und hunderte zivilgesellschaftlicher Organisationen die Entwicklung eines internationalen Abkommens zum Umgang mit Menschenrechts- und Umweltverletzungen durch Unternehmen.
Momentan haben diese Bemühungen eine neue Dynamik: Am 26. Juni 2014 haben die Mitglieder des UN-Menschenrechtsrats mehrheitlich dafür gestimmt, eine zwischenstaatliche Arbeitsgruppe zur Entwicklung verbindlicher Regeln für transnationale Unternehmen einzusetzen. Die Resolution ist von einer Koalition von Staaten des globalen Südens vorangetrieben worden, allen voran Ecuador und Südafrika.
Seitdem fanden in Genf zwei Sitzungen einer zwischenstaatlichen Arbeitsgruppe statt. Die großen Industrienationen blockierten zunächst den Prozess. Bei der zweiten Sitzung im Oktober 2016 nahmen die EU und ihre Mitgliedsstaaten zwar teil, bleiben in der Sache aber weiterhin skeptisch. In der nächsten Sitzung, die vom 23. bis 27. Oktober 2017 in Genf stattfindet, will die ecuadorianische Verhandlungsleitung einen Vorschlag für Elemente des Abkommens vorstellen. Frühere Anläufe für verbindliche Regeln scheiterten am Widerstand der Wirtschaftslobby. Ob es im neuen Prozess gelingt, dass sich die Staaten auf ein Abkommen einigen, wird auch vom Druck der weltweiten Zivilgesellschaft abhängen.